Von seiner Sorte: Christoph Hein
„Wenn man unablässig seine Mittel schult, wenn man die Wissenschaften mit Ernst betreibt, wenn man bis zu seinem fünfunddreißigsten oder vierzigsten Jahr schlecht zu leben gewillt ist, wenn man darauf verzichtet, früh beachtet zu sein, und alle Anfechtungen angepassten Erfolgs und modischen Daseins standhaft verweigert, stellt sich ein dichterischer Charakter, ein eigenes Verhältnis zum Weltganzen, ziemlich von selbst her.“ Einen solchen Satz formulieren kann nur einer hierzulande und vermutlich macht ihm wenig höheres Vergnügen, als eben solche Sätze zu formulieren, wenn ein geeigneter Anlass sich herbietet. Der den Anlass bot, heißt Christoph Hein, und der ihn nutzte, Peter Hacks. „Jetzt hat sich der Schriftsteller Christoph Hein die paar Monate genommen, berühmt zu werden“, hieß der nächste Satz in Hacks ´82er Preisrede auf Hein und es lohnt sich, daran zu erinnern, dass das schon 1982 war.
Laufen doch nicht wenige umher in dem Glauben, Christoph Hein habe sich nur einen Tag genommen, berühmt zu werden, jenen 25. November 1987 nämlich, als er in der Arbeitsgruppe IV des X. Schriftstellerkongresses in der DDR die Diskussionsgrundlage gab zum Thema „Literatur und Wirkung“. Als gäbe es nicht die „Einladung zum Lever Bourgeois“, den „Cromwell“, „Das Wildpferd unterm Kachelofen“, als hätte nicht „Der fremde Freund“ da und dort für höheren Blutdruck gesorgt. “Schlötel oder Was solls“ hieß Christoph Heins erstes Stück 1974, mit der Zusammenstellung von „Die wahre Geschichte des Ah Q“ und „Passage“ machte der Henschel-Verlag unlängst seinen 150. Dialog-Band zu einem würdigen Jubiläumsband. Und nach „Horns Ende“ (1985) und den Essais und Gesprächen „Öffentlich arbeiten“ (1987) wird es in diesem Jahr im Aufbauverlag den „Tangospieler“ geben. Am 8. April hat Hein Geburtstag gehabt und das ist Grund genug, noch einmal Peter Hacks zu zitieren: „Ich bitte Christoph Hein, behutsam mit sich umzugehen. Von seiner Sorte haben wir nicht viele.“
Zuerst veröffentlicht in: Neue Hochschule, Nr. 8 vom 28. April 1989, Seite 4; Titel: Von seiner Sorte