Shakespeare: Komödie der Irrungen; Bad Hersfelder Festspiele

Niemand ist je auf die Idee verfallen, die „Komödie der Irrungen“ (Comedy of Errors) unter die bedeutenden Werke Shakespeares zu ordnen. Viele sehen im Frühwerk sogar kaum mehr als eine allererste Fingerübung des Großmeisters, noch sehr nah, zu nahe am alten Plautus und dessen „Menaechmi“, wobei diese Nähe ja eher eine lässliche Sünde wäre. Da aber beispielsweise der „Sommernachtstraum“ so fest zum Freilufttheater-Repertoire landauf, landab gehört, dass eifrigere Theatergänger die Texte schon mitsprechen können, also auch im Souffleurkasten sitzen könnten, wenn es den noch gäbe, bekommt die Geschichte von den doppelten Brüdern mit ihren doppelten Dienern immer wieder eine Chance, obwohl fast stets die Kritik anschließend ein wenig mit den Zähnen klappert, weil auch die pfiffigste Regie kaum jene platte Heutigkeit ins Spiel zu bringen vermag, die den pfiffigsten unter den Daumenhebern und -senkern als Zeichen von fortdauernder Spielberechtigung für den Urtext gilt.

Ich gestehe, dass mich bei meiner Erstlektüre der Baudissin-Fassung, die auch Dieter Wedel benutzte (neben der von Hans Rothe, die ich nie benutze), ein leichtes Genervtsein befiel. Wer den großen Shakespeare über alles mag, muss beim kleineren und kleinen Shakespeare dann doch ein wenig tapfer sein. Dass man aus dieser Vorlage ein leidlich buntes Spiel bauen kann, bleibt unbenommen und in Bad Hersfeld hat der neue Intendant und Regisseur in Personalunion daraus ein mehr als nur leidliches Spiel gebastelt. Der Hessentext selbst riskierte eigens für den Erfolg des Abends seine Glaubwürdigkeit, indem er die gruseligsten Katastrophenszenarien des zu erwartenden Wetters unters Volk brachte, während das Wetter selbst mit neuer Selbstständigkeit tat, was zu einer ordentlichen Festspieleröffnung passt: Es spielte mit und war gut. Die Grundidee von Dieter Wedel für die üppige Spielfläche, die diese Stiftsruine nun einmal bietet, war es, ein Spiel im Spiel zu inszenieren. Ein frei hinzuerfundener Zirkusdirektor Hakam (Robert Joseph Bartl) spricht
das Publikum direkt an und führt in seiner runden Zirkusmanege die „Komödie der Irrungen“ vor. Wer dem Vortrag der Vorgeschichte (Antipholus mit Armpuppe) aufmerksam zuhört eingangs, steht über den Dingen, die sich auf der Bühne zutragen.

Wer vor seinem Theatergang noch einmal sicherheitshalber in sein altes Reclam-Heft schaute, wird zuerst beim Kontrollblick ins schöne Programmheft, das ohne jedes ambitionierte Zitieren aus den sieben unter Dramaturgen beliebtesten französischen Modephilosophen auskommt, kaum einen Namen wieder erkennen. Syrakus ist out, Sewastopol in, ganze drei Namen, Antipholus, Dromio und Adriana wurden beibehalten, der Rest ist neu. Ephesus, das kleinasiatische, wird von einem Emir (Mathieu Carriére) straff und klar nach Scharia-Gesetz geführt, seine Hilfstruppen sehen aus wie die hinlänglich aus den Abendnachrichten bekannten IS-Kämpfer, martialisch, bedrohlich, lächerlich. Einmal wird eine Hand abgehackt und es spritzt lustig Theaterblut in den noch hellen Himmel über Bad Hersfeld. Mathieu Carriére sieht ein wenig aus wie früher dieser libysche Diktator mit seinen Phantasieuniformen, wie hieß der doch gleich, unter dem Libyen noch ein Staat war und keine Schleuserregion für Schlauchbootflüchtlinge. Er hat zwei Töchter, Adriana (Cosma Shiva Hagen) und Samira (Teresa Rizos), mit denen er morgenländisch patriarchalisch umgeht.      www.bad-hersfelder-festspiele.de

Die vollständige Kritik ist seit 15. März 2018 nur noch in Buchform zu lesen: Eckhard Ullrich: Wie es mir gefällt. 33 Shakespeare-Kritiken
dictum verlag Ilmenau, ISBN 978-3-95618-138-2, Preis 19,50 Euro.

 


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