Zweifach: Biskupek in Estland

Biskupek wäre nicht Biskupek, baute er nicht auch in ein Reisebuch Sätze ein wie diesen: „Deutsch ist eine ausgezeichnete Sprache für kaltes Wind- und Regenwetter.“ Oder: „Charme ist ein anderes deutsches Fremdwort für Optimismus.“ Also er ist in Estland gewesen, zweimal, und hat sich dort erholt von der anstrengenden Tätigkeit, Streicheleinheiten zu formulieren für diverse hochmögende Autoren und Autorinnen in dem öffentlich finanzierten Privatunternehmen „Literatouristik“ einer hinlänglich bekannten Wochenschrift für Humor und Satire. Er hat ein liebenswertes Land vorgefunden, sympathisch klein und vor allem mit liebenswerten Menschen. Sie haben estnisch gesprochen und russisch auch, das andere hat Biskupek verstanden, das eine nicht. Beim Verfugen des Mosaiks ist herausgekommen, daß der Satiriker Biskupek in sich auch einen ansehnlichen Kulturphilosophen herumträgt mit Gedanken, die er vor sich selber sicherheitshalber erst einmal ketzerisch nennt. Solches fällt dann unter die Rubrik Koketterie und die ist entschuldbar.

Die Blumenfrau im Titel kommt ganz vorn im Buch und der Filmminister hinten, sie ist eine listige Blumenfrau und er ist, wiewohl nicht ausdrücklich so bezeichnet, auch ein listiger Filmminister, denn er lächelt, obwohl er nicht hört, was Mari dem Biskupek erzählt: „Wir machen zwei Filme im Jahr und haben dazu einen Filmminister.“ Estland hatte außerdem noch Tammsaare, den Nationalautor und es hat Arvo Valton und Juri Lotman, es hat ein vorzeigbares Selbstbewußtsein und den Kirow-Kolchos. Der ist unglaublich vorbildlich und hat Biskupek zu einem Satz für Genießer veranlaßt: „Man arbeitet in breiterem Maße an der gemäßigten Anwendung.“ Einige Versuche Biskupeks, am Donnerstag in Tallin Fisch zu essen, sind fehlgeschlagen, dafür hat er in Pärnu einen Indianer getroffen. Und schließlich hat der das Büchl geschrieben, als Angebot für alle „Saksen“. Zum Lesen.
 * zuerst erschienen in: Tribüne, 29. Juli 1988, unter dem Titel: Kein Fisch in Tallin

Es hat schon seine Bewandtnis, wenn solch ein Büchlein zur Linken und zur Rechten der Zeitungsfrau im Bahnhofskiosk liegt: Die Reihe „Angebot“ eignet sich ideal für Reisen, und sei es nach Estland...

Biskupek war in Estland und das nicht nur einmal. Estland ist, wir wissen es, ein Land, das nun wirklich nicht pausenlos Schlagzeilen macht, es sei denn, dort wird gerade mal der erste FKK-Strand der Sowjetunion eröffnet. Solches geschieht und ausgerechnet dann ist Biskupek nicht dort. Da ist er längst wieder zu Hause und schreibt an einem Buch über Karl Valentin. Oder flatscht Widmungen in sein noch neueres Buch: 1988 nämlich arbeitet Biskupek flächendeckend. Während andere Autoren seines herrlichen Alters überlegen, ob denn nun wirklich die Ambivalenz des Fortschritts naturgegeben sei, lockt Biskupek mit einem Filmminister. Ham' wir ja ooch, aber wir dreh'n schließlich auch mehr Filme. Oder mit einer Blumenfrau. Und keiner soll sagen: Ham'mer nich. Der Anschein, daß Biskupek nur nach Estland gefahren ist, um das Lob jeder Kreisstadt hierzulande volltönender singen zu können, trügt. Denn mit Kreisstädten kannte er sich auch vorher schon aus. Weniger dagegen mit estnischen Germanistik-Studenten, die ihm Fragen stellen nach seiner Meinung über die Größe der Probleme der DDR-Literatur.

Biskupek hat nicht verraten, wie seine Antwort lautete. Sonst aber hat er einiges verraten in seinem Mosaik und auch in Estlands Geschichte herumgestochert. Einen Informationswert muß es ja haben, so ein Buch. Es liest sich, denn Stochern – das kann der Biskupek auf ergiebige Weise.
 *zuerst veröffentlicht: Junge Welt, 16. August 1988, unter der Überschrift: Wer lockt mit einer Blumenfrau?


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