Ein Romantiker mit Zeitgeist

„Die Welt wird schöner mit jedem Tag,/ Man weiß nicht, was noch werden mag, / Das Blühen will nicht enden.“ Das sind drei Zeilen aus dem wohl berühmtesten Gedicht von Ludwig Uhland, das mit dem hoffnungsvollen Ausblick schließt: „Nun muß sich alles, alles wenden.“ So dichtet heute niemand mehr und würde es dennoch einer tun, müßte er sich sicher die Frage gefallen lassen, ob er sich wohl auf der Höhe seiner Zeit fühle. Es gilt als Signum der Modernität, nicht so zu dichten wie die Alten. Einem Frühlingsglauben gar könnten viele Argumente entgegengesetzt werden und doch, es ist seltsam: an Zauber haben diese Verse nichts verloren. Dabei hat schon Heinrich Heine durchaus distanziert in seiner 1833 veröffentlichten Abhandlung „Die romantische Schule“ für sich festgestellt: „Vor zwanzig Jahren, ich war ein Knabe, ja, damals, mit welcher überströmenden Begeisterung hätte ich den vortrefflichen Uhland zu feiern vermocht?“ War Heine im Unrecht?

Ludwid Uhland ist am 26. April 1787 geboren in Tübingen, er studierte Rechtswissenschaft in seiner Vaterstadt, promovierte zum Dr. jur., wurde Rechtsanwalt und Beamter, später Landtagsabgeordneter, Professor für Philologie. Er schrieb nicht wenig, acht Bände immerhin umfaßt eine Werkausgabe aus dem Jahre 1914, und er schrieb höchst unterschiedliche Texte: Gedichte, Balladen, politische Pamphlete, wissenschaftliche Abhandlungen – mit letzteren wurde er sogar zu einem der Gründerväter der germanistischen Philologie – und war außerdem, wenigstens bis zum Ende der Revolution von 1848/49, politisch überaus aktiv. So gehörte er der Frankfurter Nationalversammlung bis zum bitteren Ende an, so nahm er mit viel Einsatz teil an der württembergischen Verfassungsdebatte.

Verbunden ist sein Name dennoch vor allem mit seinen Dichtungen: wunderschöne einfache, klare Verse von hoher Musikalität, nahe am Volkslied manche, Balladen, die seine tief humanistische, bisweilen rührend naive Überzeugung von der Macht der Poesie beschreiben, despotische Willkür anklagen und einfache Menschen besingen. Gewiß ist manche Ballade im rein Historischen verblieben, das Mittelalter beschäftigte ihn schließlich auch wissenschaftliche, gewiß ist bisweilen eine provinzielle Enge nicht zu verkennen, doch gilt der weise Satz, daß sechs gute Gedichte ein Lebenswerk lohnen: die hat Ludwig Uhland mit Sicherheit geschrieben. Er starb am 13. November 1862, als exemplarischer Dichter der deutschen Spätromantik wird er auch weit über die Besinnung zum 200. Geburtstag hinaus Bedeutung behalten. Heinrich Heine hat ihn nur realistisch gesehen: mit ihm können wir es halten.
 Zuerst veröffentlicht in: Freies Wort Nr. 97 1987, 25. April 1987 Seite 8,    mit dem Untertitel: Zum 200. Geburtstag von Ludwig Uhland, nach dem Typoskript


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