"Mein nördliches Arkadien"

Die Eröffnung einer Ausstellung in einer Stadt, in der eine Oberbürgermeisterwahl ansteht, ist für Oberbürgermeister-Kandidaten nicht zwingend Gelegenheit, sich kulturinteressiert zu zeigen. Dass der erneut kandidierende Amtsinhaber kein Dauergast bei Lesungen, Konzerten, Vernissagen ist, hat sich im Laufe von 22 Jahren herumgesprochen. Dass die beiden Herausforderer an einem Sonntagmorgen nicht ausgerechnet dort punkten wollen, wo immer am raschesten gestrichen wird, obwohl das Volumen schon vor jeder Streichung, verglichen mit anderen Volumina, gering war, ist zu verstehen. Wer lässt sich schon gern von der Zeitumstellung erst eine ganze Stunde mausen und dann gleich noch einmal mindestens eine weitere, um etwas Flöten und Gitarre zu hören, etwas Rede zu vernehmen und dabei den üblichen Verdächtigen ins Auge zu blicken respektive die eine oder andere Hand überaus herzlich zu schütteln?

Die neue Ausstellung im GoetheStadtMuseum ist „Mein nördliches Arkadien“ überschrieben, sie nimmt sich den 180. Todestag des Dichterfürsten zum Anlass und sie erinnert, dreizehn Jahre liegt es zurück, zugleich an das große, das ganz große Goethe-Jahr 1999. Damals raste der Jubiläums-Tsunami über Deutschland von Norderney bis Altötting, nicht ganz ähnlich von der Maas bis an die Memel. Es wurden die üblichen 34 neuen Goethe-Bücher publiziert, vielleicht waren es auch 62, ich habe mir das Nachzählen gespart. Diejenigen emeritierten Professoren, die bis dato nur immer Goethe lasen, aber noch nicht an ein eigenes Geschäftsfeld „Mit Goethe unterwegs“ dachten, begannen denjenigen emeritierten Professoren, die immer schon mit Goethe reisten, die Auftragslage zu vermiesen. Dreizehn Jahre später ist das Durchschnittsalter der harten Goethe-Freunde um fast exakt dreizehn Jahre gestiegen, was den Anteil des hinzugestoßenen Nachwuchses in der Nordkurve des Fanblocks schon mathematisch hinreichend charakterisiert.

Die neue Ausstellung zeigt Faksimiles von Goethe-Zeichnungen, die Bewachung der Originale, falls sie denn freigebenen worden wären, hätte wahrscheinlich mehr gekostet als die fest angestellten Kulturarbeiter der Goethe-Stadt zusammen. Außerdem, das ist eben so, sind Goethe-Zeichnungen eher Dokumente für dies und jenes und man muss kein Zuträger der Goethe-Hass-Seite im Internet sein, um fast jedes andere Stück in der Ausstellung für künstlerisch bedeutsamer zu halten als die Blätter des Meisters. Der übrigens, das wissen die Goethefans natürlich besser, im Dillettieren kein schandbares Handeln sah. Warum soll einer, der Fauste schreibt, im Hobbykeller nicht mit der Laubsäge seine Daumen in Lebensgefahr bringen, wenn es ihm Spaß macht? Ist es ihm, nur weil er Goethe heißt, verboten? Einer, der während er Rekruten aushob zwischen Apolda und Buttstädt, an einer Prosa-Iphigenie dichtete, der darf fast alles. Weil er es eben doch kann, so oder so gesehen.

Die neue Ausstellung zeigt, das ist ihr Anliegen, außerdem die Relikte des Jahres 1999, die sich zu einer nicht nur imposanten, sondern auch aufregenden Grafikmappe verbanden, und sie zeigt Schüler-Radierungen aus einem Projekt der „Alten Försterei“ von damals. Und einige der Künstler, die seinerzeit zur Grafikmappe beitrugen, lieferten jetzt neue Arbeiten eigens für diese Exposition. Plastik, Leporello, Grafiken, alles wert, betrachtet zu werden, alles in Bezug auf diesen Goethe, auf Goethe in Ilmenau, auf Goethe und seine Beziehung zu Charlotte von Stein. Die Ausstellung wird von einem museumspädagogischen Begleitprogramm flankiert, unterstützt und hoffentlich popularisiert. Museumschefin Katrin Kunze hatte mehr Dankesworte an alle Beiträger, Zuträger, Kontakthersteller, Mitmischer, Ermöglicher zu formulieren als jeder Echo-Preisträger vor laufenden Kameras und den Beifall dafür gab es verdienterweise. Später huschte auch noch ein leibhaftiges Kamerateam in die Museumsräume.


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