Zeitungstest und Ferkelstärke

Als der SPIEGEL kürzlich die knochenharte Frage stellte „Wurde das ehemalige Parteiblatt „Neues Deutschland“ nach der Wende mit SED-Geldern gerettet?“, dachte ich: Donnerwetter. Mannomann, dachte ich unmittelbar danach, auf diese Frage musst du erst einmal kommen. Ich habe all die Jahre immer vermutet, der Internationale Fond zur Rettung von Panda-Bären oder die Stiftung Zeitungstest hätten mit Spendengeldern ... Und nun das: SED-Gelder. Kaum fassbar. Gysi dabei, kaum fassbar. Und die alten Kader auch, unfassbar. Es ist schon wichtig, dass der hochinvestigative Journalismus immer wieder solche Themen auf die Agenda knallt, dass die Funken stieben.

Währenddessen entsteht in dem kleinen Bundesland, dem ich das Wappen auf dem Autokennzeichen verdanke, eine „TA der Leser“. Das hat mich sofort überzeugt, denn ein Leser bin ich auch. Sogar ein Abonnent. Als ich dann nach gefühlt 27 Wochen das Ankündigungs-Dauertrommelfeuer, vorsichtig formuliert, ein ganz zartes kleines bisschen satt zu bekommen begann, rettete ich mich in eine freilich nur mäßig investigative Fragestellung: Was war die TA eigentlich vorher? War sie eine TA der Nicht-Leser, oder, schlimmer: eine TA der Analphabeten? Die Frage stellen heißt, sie mit NEIN zu beantworten. Auch vorher schon öffnete sie den Menschen, die wollen, dass der Papst seinen Besuch in Thüringen selbst bezahlt, und denen, die in bis zu vierzig Leserbriefen pro Jahr Hartz IV abwechslungsreich „Armut per Gesetz“ nennen, ihre Spalten. Also kann, viel mehr Möglichkeiten bleiben nicht, das nur eine TA der Redakteure gewesen sein.

Das freilich ist in der Tat eine Situation, die nicht ewig bestehen sollte. Nehmen wir einen x-beliebigen Redakteur, der jeden zweiten Tag vor seiner Redaktion in Hundescheiße tritt. Es ist anzunehmen, dass dieser Redakteur eine gewisse grundhafte Abneigung gegen Hunde und ihre Schisse entwickelt. Der Leser aber und seine Kollegen, die anderen Leser, die ihren Hund jeden Tag an der Redaktion vorbei führen, haben einen vollkommen anderen Blick auf die Endprodukte hündlicher Verdauungsprozesse.

Nehmen wir den y-beliebigen Feuilleton-Journalisten, der seit, sagen wir, vierunddreißigeinhalb Jahren in die Theater geht und in allen Klassikern schon die Texte mitsprechen kann. Er geht hin und langweilt sich bereits, wenn er auf dem Weg zu seinem Parkettplatz in der Jackentasche an seinem Notizblock knuspert. Was schreibt er also? Und der Leser, dem Mutti und Tante Hilde eine Karte für „Wilhelm Tell“ schenken, damit er nicht immer nur besoffen rumnölt, wenn Jena wieder zu Hause verloren hat, der sitzt dann atemlos da, starrt auf die Bühne und denkt, verdammte Axt, diese Schweizer.

Deshalb und nur deshalb muss die Frage: Brauchen wir eine neue tägliche Kolumne der Art: „Wie mir der Schnürsenkel riss, als ich zum allerersten Male in Neudietendorf umsteigen musste“? mit einem klaren JEIN beantwortet werden. Die Kolumne muss saustark geschrieben sein und schon brauchen wir sie. Ferkel- oder überläuferstark kann es sein, dass sie uns bereits am zweiten Tag auf den stationären Wecker geht.


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