Luxemburg in Weimar

Von Luxemburg-Stadt bis Ettelbruck sind es rund 25 Kilometer. Man ist schnell dort. Aber das will in einem Land wie Luxemburg wenig besagen. Wo man auch wohnt, man ist immer schnell dort, wohin man will, selbst wenn es für Luxemburger Verhältnisse lange dauert. Ettelbruck ist ziemlich klein innerhalb des kleinen Landes, etwas mehr als 7000 Einwohner. Erstaunlich viele dieser Einwohner überall in Luxemburg sind Portugiesen, was man nur merkt, wenn gerade Fußball-Europameisterschaft ist. Dann hängen überall portugiesische Fahnen an Häusern und aus Fenstern. Wir sind von dem Schloss, das von außen nicht aussieht wie ein Schloss, aber eine schöne Ferienwohnung enthält, nach Norden gefahren. Nach Ettelbruck eben, dritte Station nach dem amerikanischen Soldatenfriedhof Hamm, nach dem deutschen Soldatenfriedhof Sandweiler. Auch in Luxemburg ist ein Feuerwehr-Jubiläum ein Großereignis. Weshalb wir weit von dort parken müssen, wo wir eigentlich parken wollen. Immerhin, wir sehen das General Patton Memorial Museum für zweieinhalb Euro pro Person. Und wir sehen, dass Patton vor allem der Namensgeber ist. Um ihn selbst geht es eher weniger.

Laut Reiseführer war es Pattons großer Wunsch, mitten unter seinen Soldaten bestattet zu werden. Er starb nicht im Krieg, sondern am 21. Dezember 1945 bei einem Autounfall in Heidelberg. Man kann auf dem Soldatenfriedhof Hamm studieren, was ein echter General mit „mitten unter“ meint. Patton liegt in ziemlich großem Abstand seinen Soldaten gegenüber, ungefähr so, wie ein General eben vor einer Front steht, wenn er die Meldung des Diensthabenden entgegen nimmt. Weit weg, sichtbare Distanz. Patton hat in Ettelbruck auch noch ein Denkmal. Im Museum aber, das seinen Namen trägt, stoßen wir auf Weimar. Nach Weimar kamen luxemburgische Bürger nach der Okkupation 1940  zur „Umschulung“. Sie sollten als mehr oder minder Freiwillige auf den Dienst in der deutschen Ordnungspolizei vorbereitet werden, sie waren in Weimar kaserniert, sie wurden in Weimar desillusioniert und anfänglich fast wie Gefangene gehalten. Das informative, aber überladene und museumspädagogisch ziemlich veraltete Museum hält faszinierend vielfältige Zeitzeugnisse bereit aus dem sicher dunkelsten Kapitel deutsch-luxemburgischer Geschichte.

Auch die Landwirtschaftsschule in Ettelbruck feierte, als wir dort neugierig waren, gerade ihr 125-jähriges Jubiläum.Wir aber widmeten uns nach der Geschichte der jüngeren Vergangenheit dem luxemburgischen Wein. Für immer habe ich den in Brüssel für die europäische Fischerei-Behörde arbeitenden Mann vor Augen, der meiner Tischrunde in der Chaussee de Mons in Belgiens Hauptstadt erklärte, der luxemburgische Wein sei streng genommen ungenießbar. Die ersten Proben hatten uns eines Besseren belehrt, die nächsten Proben belehrten uns eines noch Besseren und am Ende stand die Frage, ob es nicht gut wäre, Deutschland würde bei Versendung seiner EU-Beamten in Tests vorher ermitteln, ob sie auch wirklich sattelfest sind mit ihren Urteilen und landeskundlichen Behauptungen. Die zweite Überraschung an diesen Weinen war, dass weiße Jahrgänge, die uns hier in Deutschland an der Kompetenz des Einkäufers hätten zweifeln lassen, dort nicht etwa standen, weil sie niemand haben wollte, als Reste also, sondern weil sie gut waren. Die luxemburgischen Elblinge, die uns die Abende in der Schloss-Wohnung zu Wohltaten machten, schluckten sich weg. Und die Rieslinge natürlich auch. Kein verlogener Schlüpfersturm wie an der deutschen Mosel gar nicht so selten.

Was hat dieses Luxemburg für wunderbare Burgen und Ruinen, was für traumhafte schmale Flussläufe, die sich um Felsen schlängeln, auf denen, natürlich, auch eine Ruine thront. Es gibt einen Skulpturen-Wanderweg, der im späten Frühjahr einfach ein Ereignis ist, selbst wenn man, wie wir, nicht eben zu den hartgesottensten Wanderern gehört. Die Skulpturen sind bisweilen eher gewöhnungsbedürftig, aber sie passen sich in die Landschaft ein, dass es eine Freude ist. Nahe ist ein Stausee, nicht weit ist auch das kleinste Dorf des Herzogtums mit einer alten Kirche und einem kleinen Weiher, an dem Libellen fliegen, die uns in dieser Schönheit noch nicht begegnet sind. Wir sind freilich keine Libellenkundler, nur gewöhnliche Genießer von Kleinpanoramen. Und lassen auch die großen nicht aus, zu denen alle eilen. Die gelle Fra also in Luxemburg-Stadt, wo immer die Busse halten mit denen, die als Bus-Touristen unterwegs sind.

Im Mai 1994 stand ich zuerst dort, es war ein Tag, an dem mein Reisebegleiter streikte, weil die Stadtführerin zu schnell sprach und noch schneller lief. Mein Reisebegleiter hatte gerade ein paar Tage seinen 73. Geburtstag hinter sich, er war nicht sonderlich gesund und angesichts der agilen Dame mit dem flotten Mundwerk auch ein wenig bockig. Als sein Sohn trug ich die Sache mit Fassung. Man kann in Luxemburg-Stadt die Bock-Kasematten besichtigen, man muss es nicht. Ein Jahr später waren wir nur auf der Rückreise aus Belgien, hatten Brüssel, Antwerpen, Brugge, Gent und Leuven gesehen, Oostende auch, und in Luxemburg-Stadt reichte es nur zu ein paar kurzen Blicken rund um den Theaterplatz. Wieder ein Jahr später kam ich als Neu-Kraftfahrer mit eigenem Peugeot 309 von Norden her ins Land gefahren, bestaunte Clervaux, steuerte über Wiltz in die Landeshauptstadt und dort falsch herum in eine Einbahnstraße. Vielleicht wäre der mir entgegen kommende Bus in Deutschland bis zu meiner Stoßstange vorgedrungen, vielleicht hätte sein Fahrer mir in Deutschland nicht nur den unvermeidlichen Vogel gezeigt. Dieser Fahrer stieß leicht zurück, ließ mich die zum Glück kurze Straße in verbotener Richtung passieren und winkte sogar noch mit einem Gesicht, dem ich milde Nachsicht zu entnehmen bereit war.

Mich schreckte meine eigene Dusseligkeit so sehr, dass ich das Zentrum der Hauptstadt eilig verließ, im Centre Europeen parkte und Neuzeitarchitektur beguckte. Erst als ich bei Trier wieder deutschen Boden erreichte, war ich bei völligem Ruhepuls angelangt. Vier Jahre später kamen wir erneut aus Belgien, diesmal aus Vielsalm und hielten im Großherzogtum nur in Marnach, um ein wenig einzukaufen. Es war eine Reise aus Anlass einer Goldenen Hochzeit, das Jubelpaar ein wenig ermüdet und nur noch willens, den heimischen Herd und das heimische Sofa so rasch als möglich zu erreichen. Gute Söhne und Schwiegertöchter erfüllen solche Wünsche ohne langes Gemecker. Was nun noch blieb, war ein Aufenthalt mit Übernachtungen. Im Schloss. Der uns als gute Europäer natürlich auch nach Schengen führte. Und in den Schmetterlingsgarten zu Grevenmacher. Trier zog uns kurzzeitig für einen Tag über die Grenze. Dort gab es im Rheinischen Landesmuseum „Stückwerk(e)“ zu sehen, eine Ausstellung zum Thema Hunderttausend Jahre Sex. Das Rheinische Landesmuseum hat übrigens die Postanschrift Weimarer Allee 1.


Joomla 2.5 Templates von SiteGround