Venedig, gleich vorn

Ja, ja, es ist voll dort. Ja, es ist teuer dort. Und die riesigen Luxus-Schiffe, die von ihren Liegeplätzen im Bacino della Stazione Marittima alles überragen, noch, wenn man im Canale della Giudecca fast Zitelle erreicht hat, sie gab es früher gar nicht und vor fünf Jahren waren es weniger. Wie ein Zeppelin zu Wasser fahren sie an San Marco vorbei in Richtung Lido und nahe Salute ankern die Yachten, denen man ansieht, hier schwimmt das dicke Geld.

Dorsoduro aber ist immer noch, wie es ist, in Cannaregio geht man um zwei Ecken und ist der einzige Tourist, nicht einmal vor Madonna dell'Orto baumeln mehr Digitalkameras an Handgelenken als am Apothekerbrunnen zu Ilmenau. Wir schauen aus unserem Hotelfenster auf den Canale Grande, es ist Lärm bis weit nach Mitternacht am Ankunftstag. Die Biennale hat ihre Pforten geöffnet, die gar keine Pforten sind. Man sieht, wer gekommen ist, um gesehen zu werden.

Die tiefschwarzen Afrikaner, die auf ihren weißen Decken immer noch ihre Luxustaschen-Imitate anbieten und immer noch stets fluchtbereit nach Uniformen äugen, sie beenden ihren Arbeitstag vor Mitternacht auf der Brücke neben unserem Hotel. Sie holen das Knüllpapier aus den Taschen, sie stopfen die leeren Taschen in einen blauen Plastesack, sie füllen das Knüllpapier in die weißen Tüten, in die auch die Taschen wandern, wenn eine Frau angebissen hat. Nie wird ein Preis genannt, immer wird gefragt, wieviel die Frauen denn bieten würden. Die Frauen, die sagen: 25 Euro, wissen vielleicht gar nicht, wieviel eine echte Louis Vuitton kostet.

Wir fragen uns, wohin die Schwarzen tief in der Nacht gehen, wenn sie Richtung Piazzale Roma verschwinden, sie grüßen einander nicht, sie reden nicht miteinander, keiner wartet auf den anderen, sie gehen einfach, wenn alle Knüllpapiervorräte in den weißen Tüten sind, die neben dem Papierkorb am Fuß der Brücke abgestellt werden. Am anderen Morgen achtet die Stadtreinigung darauf, nur loses Papier einzusammeln und den Papierkorb zu leeren, die weißen Tüten bleiben stehen und dann sind sie weg. Es ist uns nicht gelungen, den Moment zu beobachten, in dem das Papier verschwindet.

Auf dem Campo San Geremia stehen die Männer, deren Aufgabe es ist, Gäste ins Restaurant zu locken, mit der Serviette über dem Unterarm und äugen in alle Richtungen gleichzeitig. Wer auch nur den Anschein eines Interesses an den Speisekarten zeigt, wird ins Gespräch verwickelt. Die Touristenkarte in deutscher Sprache enthält keine Weine, was deren Preis zum späteren Überraschungsgast auf der Rechnung macht. Es klappt immer wieder nur einmal. Und wie immer trösten wir uns mit der Qualität des Fisches über den faulen Weintrick. Der gegrillte Fisch ist wirklich gut. Auch La Nuova Perla werden wir wieder besuchen. Denn das Schauspiel einander ignorierender Kellnerinnen im reinen Frauenbetrieb ist seit Jahren eben ein Schauspiel.

Im All' Angelo gibt es jetzt Touristen-Menüs, die es früher nicht gab. Nahe San Marco hat die harte Konkurrenz dazu geführt, dass man von keiner Mahlzeit mehr fürchten muss, sie töte das Budget gleich am zweiten Venedig-Tag. Wir haben uns die Venice-Card geleistet und die Sieben-Tage-Karte für actv-Fahrten mit Bus und Boot. 50 Euro kostet die pro Person und hat sich spätestens am dritten Tag rentiert. Uns überrascht nicht mehr, dass die Linea 1 alle paar Meter hält, wir wissen, dass es hinten herum über San Giorgio schneller gehen kann als auf dem vermeintlich. direkten Weg. Uns überrascht auch nicht, dass es regnet, wenn wir in Murano aus dem Boot steigen. Es regnet immer, wenn wir in Murano aus dem Boot steigen. Jetzt aber erobern wir mit der Venice Card das Glas-Museum.

Die Isola dei Tronchetto besuchen wir zweimal außer der Reihe. Wir stellen zweimal das Auto um, erst aus der prallen Sonne, die uns blieb, weil die Parkdecks alle gefüllt waren am Sonnabendnachmittag, zu A 2, dann innerhalb des Parkdecks von ganz hinten nach ganz vorn. Man muss an die Koffer denken, die zu schleppen sind bis zu Heckklappe. Und daran, zwei Kreditkarten bei sich zu haben, wenn es ans Zahlen geht, denn der Automat nimmt nur 100 Euro auf einen Streich. Die besten Plätze haben natürlich immer Italiener.


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