Shakespeare: Ein Sommernachtstraum, Bühnen der Stadt Gera

Sei es, wie es sei, für welche Hochzeit oder gar für welche Hochzeiten William Shakespeare dies geschrieben hat, ob die Königin Elisabeth es eigenäugig sah oder nicht, ist für den heutigen Theatergänger ohne Bedeutung. Von allergrößter Bedeutung ist dagegen die offenbar zeitlose Lebendigkeit einer eigentlich arg verworrenen, wild an sämtlichen verfügbaren Haaren herbei gezogenen Geschichte voller Antike-Zitate und Anspielungen aus der Shakespeare-Zeit selbst. Der Mann aus Stratford hat, lange bevor das Wort in den gegenwärtigen Sinn schlüpfte und inzwischen zum intellektuellen Spezialvergnügen geworden ist, den Trash erfunden. Das Spiel im Spiel, eine Shakespeare-Leidenschaft, ist mit der dem Ovid vor allem entlehnten Story von Pyramus und Thisbe Trash in Reinkultur, in Höchstkultur. Verglichen mit einem Sahnehäubchen auf züchtig-feiner Speise ist dies ein Sahne-Sturzbach. Dass Schauspielern so etwas Spaß macht, versteht sich von selbst, in jedem anderen Fall wäre ihnen erneute Berufswahl anzuraten.

Die Bühnen der Stadt Gera haben die Inszenierung, die am 11. Oktober ihre Premiere hatte, dem 111. Geburtstag ihres eigenen Hauses gewidmet (ein Jubiläum, welches ich, nachlesbar, sehr mag als Anlass außer der Reihe der üblichen Anlässe) und dem 450. Geburtstag von William Super-Shakespeare. Regie führte Bernhard Stengele, der seltsamerweise immer Regie führt, wenn es zu Gera etwas gibt, was mich in Begleitung auf die Autobahn lockt. Entsprechend gibt es immer etwas Gestänge auf der Bühne (Marianne Hollenstein) und die, die für Musik verantwortlich zeichnen, respektive sie machen, müssen auch gleich in Kleinrollen schlüpfen und sie machen (diesmal Milena Ivanova als Gast und Olav Kröger) gute Figur dabei. Den Theaterführern ist zu entnehmen, dass das Stück schon zu Zeiten seiner Entstehung sich dadurch auszeichnete, dass es wenig technische Anforderungen an die Bühne stellte, also quasi überall gespielt werden konnte.

Die Geraer Spielfläche erstreckt sich einfach sehr weit nach vorn, überbrückt mit einem Steg den Orchestergraben, es gab einen durchsichtigen Vorhang, hinter dem zunächst gespielt wurde und es gab knallbunte Kostüme mit knallbunten Perücken (Marianne Hollenstein). Die drei Welten der Komödie waren optisch klar voneinander abgesetzt, wobei die Anspielungen an Rokoko im ersten Teil ein Weilchen gewöhnungsbedürftig blieben, im Zusammenspiel mit den beiden anderen (Elfenreich, die Handwerksmeister des bürgerlichen Alltags) aber sehr viel Sinn machten. Der sozialpolitische Subtext (damit auch Freunde solchen Vokabulars ihr Bröcklein bekommen) drängte sich nicht in den Vordergrund, für das Parteilehrjahr der DDR wäre hier wenig lehrreiches Anschauungsmaterial zu holen gewesen. Die versteckten Huldigungen an Königin Elisabeth sind eben versteckt, was ihnen kaum schadet. Und dass der von Manuel Kressin gespielte Zettel, der den Pyramus spielt, nicht merklich auf Oliver Cromwell vorausweist, wie bei Shakespeare laut André Müller wohl angelegt, das konnte zu Gera leicht verschmerzt werden.

Die Inszenierung von Bernhard Stengele arbeitet mit einer Strichfassung, die keine Phantomschmerzen an fehlenden Passagen erzeugt, sie enthält eine kleine feine hinterlistige Einlassung zur so genannten „Black-Facing“-Debatte, indem sie den Puck, grandios gespielt von Ouelgo Téné, einem „White Facing“ unterzieht und zwar gleich von Kopf bis Fuß. Mehr muss dazu in der Tat nicht gesagt werden. Stengele lässt die Mehrzahl seiner Darsteller zwei Rollen spielen, Manuel Struffolino sogar drei. Was jedem und jeder die wunderbare Möglichkeit gibt, Wandlungsfähigkeit zu zeigen, insbesondere aber die, auch einmal richtig auf den Pudding zu hauen. So darf Johanna Paliege die Hermia sein, die bisweilen etwas zu markant klang, um dann als Schnauz und Wand die Wände wackeln zu lassen. Vanessa Rose, eine Helena, für die wohl kein Trojanischer Krieg geführt worden wäre, glänzte (für mich, Krritikker, bekenne dich zu deiner Subjektivität!!) als Helena, dem Demetrius hinterher hüpfend, wie als Schnock und Löwe. Das war die Antonia bei Dario Fo und die Juanita bei Horvath!  www.tpthueringen.de

Die vollständige Kritik ist seit 15. März 2018 nur noch in Buchform zu lesen: Eckhard Ullrich: Wie es mir gefällt. 33 Shakespeare-Kritiken
dictum verlag Ilmenau, ISBN 978-3-95618-138-2, Preis 19,50 Euro.


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