Shakespeare: Viel Lärm um nichts; Südthür. Staatstheater Meiningen

Zunächst beiseite, was beiseite gehört: anders als im Programmheft (Don John) heißt die Rolle, die Ingo Brosch zu spielen hat, auf dem Flyer Don Juan. Anders als das Programmheft suggeriert, indem es den Herrn Edmund de Vere mit den bekannten und deshalb nicht besser gewordenen Argumenten zum Verfasser der Shakespeare-Stücke erhebt, neige ich fortgesetzt dazu, Shakespeare für Shakespeare zu halten. Nur weil wir von Homer nichts wissen, vermuten wir ja auch nicht, er habe viel wahrscheinlicher Bernd oder Karlheinz geheißen. „Viel Lärmen um nichts“ jedenfalls zeigt unverdrossen, was wirklich große Komödien vom Rest unterscheidet, also von fast allem. Sie halten fast alles aus. Sie lassen sich in gefühlt 63.221 deutsche Fassungen bringen, inzwischen übersetzen vermutlich schon die meist unterbeschäftigten Requisiteure als Hobby oder Nebenberuf die jeweils nächsten drei Shakespeare, die der jeweilige Intendant in die Spielzeiten zu heben gedenkt mit den jeweils dazu passenden oder hoffentlich passenden Regisseuren.

Für Kritiker hat das den Vorteil, dass sie fast nie mehr die jeweils gespielten Textfassungen kennen, nicht zu reden von den Streichungen in den jeweils gespielten Textfassungen, sie können also vor sich hin fabulieren. In Meiningen hat Tobias Rott, wie ich nach einigermaßen mühseliger Suche im Programmheft herausgefunden zu haben glaube, die Übertragung von Holger Klein benutzt. Ob er noch über sie hinaus ging oder ob er vor ihr ein wenig zurückblieb oder was sonst, ahne ich nicht, ich kenne auch Herrn Klein nicht, dessen Übertragungen durchaus groß sein mögen, ich fand jedenfalls an diesem Premierentag nichts zu murren. Dabei hätte alles auch ganz anderes laufen können. Am Pressetisch gab es die dezente Information, Evelyn Fuchs sei erkrankt und werde durch den Regisseur mit Textbuch ersetzt, was immerhin besser sei als der Totalausfall in Nordhausen selbigen Abends. Springer mit Textbuch kannte ich bereits, nur entnahm ich erst dem sofort folgenden Blick in die Besetzungsliste, dass eben zufällig die weibliche Hauptrolle betroffen war.

Es vorweg zu sagen: der Abend geriet. Er geriet über die Maßen. Es war die zunächst unfreiwillige Komik des in pures Künstlerschwarz gewandeten Regisseurs Tobias Rott als Beatrice, selbst die Mitmimen brauchten Minuten, sich das Lachen beim Sprechen zu verbeißen. Dann aber war es verbissen und die unfreiwillige Komik wuchs in reine und ich scheue mich nicht zu sagen – herrliche – Komik hinüber. Das Publikum hatte wohl bis zur Pause Tauzeit, ehe der entsprechende Taupunkt erreicht war, zwei wunderfeine Stellen davor, die jeden Szenenapplaus der Welt verdient hätten, bestarrte das Meininger Premierenvolk stumm und weitgehend unbewegt, nach der Pause aber hatte es wohl rasch im Smartphone nachgeschaut oder warme Füße bekommen, klatschte es, sobald es sich anbot. Am Ende Bravo-Rufe und ich will Evelyn Fuchs nicht zu nahe treten, deren Leistung krankheitshalber zunächst noch unbekannt bleibt, aber mit diesem Beatrice, wenn er noch ein wenig mehr Text lernt, wäre eine Inszenierung vorhanden, für die andere eigens einen Einfall konstruieren müssen. Dieser Regisseur ist ein ziemlich geborener Komiker, was man auch schon seiner einleitenden Entschuldigungsrede entnehmen konnte, wo er sich Sardinenbüchse nannte.

Dann wäre da Vivian Frey: sein Spiel des Abends entfesselt zu nennen hieße, ihn zuvor gefesselt oder gehemmt oder wie auch immer gesehen zu haben, was daneben griffe. Spätestens als er seine Brustmuskeln zucken ließ, was im Detail ja seine liebste Zuschauerin sicher lange kannte, ehe er es einmal auf die Bühne bringen durfte, war das Publikum hin und weg. Mag sein, dass Frey das diesenfalls erklärliche Gefühl hatte, den Part seiner erkrankten Kollegin irgendwie mit spielen zu müssen, er gab so oder so deutlich jenseits der hundert Prozent. Im Fußball sind das die Siege, die in die Vereinsgeschichte eingehen. Zur Erinnerung: Benedick (!!) und Beatrice sind nach dem Willen von William Shakespeare Wortfeuerwerkabbrenner, die einander am Ende nicht nur kriegen, sondern sich eigentlich, wie das in solchen Fällen üblich ist, ohnehin immer gewollt haben. Nicht ganz so mit dem Kriegen und Wollen halten es Hero (Meret Engelhardt) und Claudio (Hagen Bähr), weil der motivierten Liebe beider ein böser Wicht entgegen steht, Ingo Brosch als Don John, den man zuerst hinterm Vorhang beim Duschschnauben belauschen kann, ehe ihm Ankleidung auf offener Bühne widerfährt von Konrad (Phillip Henry Brehl).    www.das-meininger-theater.de

Die vollständige Kritik ist seit 15. März 2018 nur noch in Buchform zu lesen: Eckhard Ullrich: Wie es mir gefällt. 33 Shakespeare-Kritiken
dictum verlag Ilmenau, ISBN 978-3-95618-138-2, Preis 19,50 Euro.


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