Nicht ausgelöscht: Kurt Pinthus
Als am 10. Mai vor 75 Jahren auf dem Berliner Opernplatz gegenüber der Humboldt-Universität ein Scheiterhaufen brannte, auf den Bücher geworfen wurden, landete auch das Werk eines Mannes in den Flammen, der in Erfurt geboren ist. Sein Name: Kurt Pinthus. Das Ereignis in der Reichshauptstadt war mit Eifer vorbereitet worden, Studenten hatten es in die Hand genommen, ein kulturpolitisches Zeichen der „neuen Zeit“ zu setzen. Und nach anfänglicher Zurückhaltung hatte auch Minister Joseph Goebbels den Propagandawert der Inszenierung erkannt und sich bereit erklärt, zu nächtlicher Stunde eine Rede zu halten. Die Autoren, die für die Verbrennung ihrer Bücher vorgesehen waren, standen auf einer Liste, die der Bibliothekar Wolfgang Hermann, 1904 in Alsleben an der Saale geboren, erstellt hatte.
131 Namen enthielt diese erste Liste, am 16. Mai 1933 wurde sie auch gedruckt veröffentlicht. Das waren 94 deutschsprachige, 37 fremdsprachige Autoren. Nur ganz wenige Namen kennt man aus den unscharfen schwarz-weißen Dokumentaraufnahmen, jene 15 nämlich, die bei den so genannten „Feuersprüchen“ gebrüllt wurden, ehe die Schriften in die Flammen flogen. Pinthus war unter diesen Namen nicht. Der am 29. April 1886 in Erfurt geborene Pinthus legte nach Kinderjahren in Magdeburg in seiner Geburtsstadt das Abitur ab, ging dann allerdings für immer aus Thüringen weg. Er studierte in Freiburg im Breisgau, in Berlin, Genf und Leipzig. Promovierte über den heute weitgehend vergessenen Levin Schücking (1814 – 1883). Im legendären Kurt Wolff Verlag fand er Arbeit als Lektor, er lernte diejenigen Autoren kennen, denen er selbst seinen Nachruhm weitgehend verdankt, die aber auch ihm zu Dank verpflichtet blieben.
Verleger Kurt Wolff, knapp ein Jahr jünger als sein Lektor, war eine der ganz großen Verlegerpersönlichkeiten der damaligen Zeit. Den neuen Herrschern des dritten Reiches aber war Pinthus vor allem deshalb ein Dorn im Auge, weil er sich dem literarischen Expressionismus verschrieben hatte. Seine noch heute höchsten Nachruhm genießende Anthologie „Menschheitsdämmerung“ sammelte Autoren, die alle Eigenschaften in sich vereinigten, denen die nun herrschende Ideologie den erbitterten Kampf angesagt hatte: Pazifisten, Kommunisten, Juden, „Entartete“. Nicht selten mehreres davon zugleich.
Pinthus ist den braunen Machthabern nicht in die Hände gefallen, er lebte noch bis zum 11. Juli 1975, zuletzt in Marbach, wo er am dortigen Literaturarchiv wirkte. In Volker Weidermanns „Das Buch der verbrannten Bücher“ sind Kurt Pinthus immerhin fast drei Seiten gewidmet. Er ist unter jenen 131 einer von nur vier Autoren, die in Thüringen geboren sind. Die anderen heißen Kurt Kläber, Rahel Sanzara und Friedrich Michael.
Zuerst veröffentlicht in THÜRINGER ALLGEMEINE, Erfurt, am 9. Mai 2008