Friedrich Michael zum Gedenken (2)
Als heute vor 75 Jahren auf dem Berliner Opernplatz gegenüber der Humboldt-Universität ein Scheiterhaufen brannte, auf den Bücher geworfen wurden, landete auch ein Titel eines Mannes in den Flammen, der in Ilmenau geboren wurde. Sein Name: Friedrich Wilhelm Michael. Das Ereignis in der Reichshauptstadt war mit Eifer vorbereitet worden, Studenten hatten es in die Hand genommen, ein kulturpolitisches Zeichen der „neuen Zeit“ zu setzen. Und nach anfänglicher Zurückhaltung hatte auch Minister Dr. Joseph Goebbels den Propagandawert der Inszenierung erkannt und sich bereit erklärt, zu nächtlicher Stunde eine Rede zu halten. Die Autoren, die für die Verbrennung ihrer Bücher vorgesehen waren, standen auf einer Liste, die der Bibliothekar Wolfgang Hermann erstellt hatte. 131 Namen enthielt diese erste Liste, am 16. Mai 1933 wurde sie auch im Druck veröffentlicht. Das waren 94 deutschsprachige, 37 fremdsprachige Autoren.
Friedrich Wilhelm Michael, geboren am 30. Oktober 1892, war nicht der einzige seines Jahrgangs auf diesem Scheiterhaufen. Karl Jakob Hirsch war dabei, Verfasser des einst berühmten Romans „Kaiserwetter“, Maria Leitner, die acht Jahre später im Exil verhungerte, Otto Linck, den heute niemand mehr kennt, Theodor Plivier, dessen Roman „Stalingrad“ gegen Ende der DDR sogar noch einmal von Hermann Kant mit einem Nachwort versehen wurde, Hans Sochaczewer, der unter dem Pseudonym José Orabuena veröffentlichte. Als Michael aus Anlass seines 70. Geburtstages am 30. Oktober 1962 dem „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“ ein Interview gab, fragte ihn Li Marell auch nach dem Roman „Die gut empfohlene Frau“ aus dem Jahr 1932, jenem Roman, den der Bibliothekar Hermann den Flammen überantwortet hatte. Und der Gefragte erklärte: „Übrigens war diese Verbrennung des Romans, der 1825 spielt und keinerlei Aktualität hatte, offenbar ein Missverständnis. Man hatte mich, vielleicht weil ich Witkowskis Schüler war und manchen guten jüdischen Freund hatte, auch für einen Mann mit falschem Großvater gehalten...“.
Volker Weidermann, dessen verdienstvolles Werk „Das Buch der verbrannten Bücher“ passend zum Anlass Anfang des Jahres im Kölner Kiepenheuer & Witsch-Verlag erschien, widmet Michael nicht mehr als eine halbe Seite. Er nimmt die Interview-Aussage von 1962 als sympathischen Zug von Ehrlichkeit und lobt Michael, „dass er im Nachhinein keine geheimen, historisch verborgenen Widerständlereien hineingedeutet hat.“ In der Tat, Friedrich Michael hatte in den Jahren nach 1933 keinerlei Repressalien zu erdulden, er ging nicht in die Emigration wie sehr viele andere verbrannte Dichter. Er biederte sich freilich auch nicht vordergründig an, wie einige derjenigen, die nach dem 10. Mai 1933 die Seite wechselten. Es lohnt sich, das Buch Weidermanns daraufhin durchzulesen. Denn weil er alle 131 Autoren der ersten Hermann-Liste behandelt und nicht nur die, die dem einen oder anderen allzu raschen Bild von der Bücherverbrennung entsprechen, bespricht er eben auch die, die gar keine Opfer des Regimes waren.
Friedrich Michael veröffentlichte unter anderem auch Bühnenstücke, deren bekanntestes, ein Lustspiel, „Der blaue Strohhut“, 1942 uraufgeführt wurde. Und er schrieb 1937, als er wieder einmal seine Geburtsstadt Ilmenau und seine dort lebenden Eltern besuchte, das kuriose Gedicht „Thüringer Rostbratwurst“, dessen Sonderdruck sein Vater, der Medizinalrat, der Stadt schenkte (TA berichtete).
Zuerst veröffentlicht in: THÜRINGER ALLGEMEINE, Ilmenau am 10. Mai 2008,
Überschrift der Redaktion: Ein Missverständnis