Hinweis auf einen Erfolgreichen: Bruno Frank

„Er wird mit jedem Tag demütiger, wenn er seine Arbeit mit dem Werk eines Meisters vergleicht, und jeden Tag hochmütiger, wenn er auf das eitle, dumme und neidische Gelärm der Herren Nicht-Meister hinhört. Von der Schnellvergänglichkeit seiner Produktion ist er als ein vernünftiger Mann überzeugt, kann aber darin nichts Tragisches finden. Die gelegentliche Illusion des Gelingens war schöner, jedenfalls hätte er auf dieser Welt ja doch zu nichts Besserem getaugt. Wenn er das Hohe nicht hervorzubringen vermag, so hat er doch den einen oder anderen Leser vielleicht an etwas Hohes denken machen. Das muß ihm genug sein.“

Die Rede ist hier von dem Lyriker, Dramatiker und Erzähler Bruno Frank, der Verfasser dieses Porträts – auch Bruno Frank. Schnell ist ein solches Selbstbildnis der Koketterie verdächtigt, hält sich doch hartnäckig das Vorurteil, daß Größenwahn dem Schreiben angemessener sei als schlichte Bescheidenheit. Und doppelt verunsichert ist man, wenn man vom beinahe sagenhaften Erfolg des Autors Bruno Frank in den sogenannten „goldenen zwanziger Jahren“ liest:  „Rund zweihundert Bühnen haben das Stück angenommen.“, vermerkt etwa der Theaterkritiker des „Sächsischen Volksblatts Zwickau“ ganz nebenbei am 24. Februar 1928 in seiner Besprechung des Schauspiels „Zwölftausend“.

Das war eines der Lebensprobleme Franks: der Erfolg drückte ihm fast zwangsläufig den Stempel auf: nicht ernst zu nehmen. In seinen Romanen (vier sind in der DDR erschienen) und vor allem in seinen Erzählungen („Der Himmel der Enttäuschten“ und „Tage des Königs“) belehrt er jedoch vorschnell Urteilende: Sie sind Zeugnisse nicht nur einer erstaunlichen Sprachkultur, eines unermüdlichen Engagements (Frank war im Exil zuerst in Frankreich, dann in den USA einer der aktivsten Antifaschisten), sondern vor allem lesbar bis heute, voll von überraschenden Einsichten und Ansichten, klug und bisweilen erschütternd (die Novelle „Der Glücksfall“), manchmal beängstigend prophetisch („Das Goldbergwerk“) und immer auch einfach unterhaltend. Bruno Frank lebte vom 13. Juni 1887 bis zum 20. Juni 1945. Sein Jubiläum macht keine Schlagzeilen.
 Zuerst veröffentlicht: Neue Hochschule, 30. Jahrgang Nummer 11, 12. Juni 1987, Seite 5

Den französischen Politiker Dorval, eine der Hauptgestalten der 1928 erschienenen „Politischen Novelle“, läßt sein Schöpfer im Rückblick auf den ersten Weltkrieg sagen: „Es muß die Zeit kommen – nein, sie muß dasein, die Zeit, da kein hungriges Schwein mehr an einem deutschen oder französischen Toten frißt. ... Denken wir immer daran, immer! Es gibt nichts Wichtigeres. Nie mehr! Nie mehr!“ Kriegserfahrung und die Erfahrung der Weimarer Republik, die er knapp zehn Jahre später im Rückblick eine „Republik ohne Mut, ohne Glanz, ohne wirklichen Drang zur Gerechtigkeit“ nannte, machten den Dichter Bruno Frank unerbittlich im Haß gegen die, denen die Kriege nützen und er kannte sie genau, „jene militärische Zentral- und Kollektivintelligenz, von der deutsche Geschichte in allen ihren Phasen gemacht wird und für die ein verlorener Weltkrieg nichts weiter ist als ein bedauerlicher Zwischenfall“.

Er begab sich wie so viele seiner Kollegen unmittelbar nach dem durch die Nazis inszenierten Reichtstagsbrand ins Exil, sein früher Tod am 20. Juni 1945 verhinderte seine mögliche Rückkehr ins befreite Deutschland. Anders als die Mehrzahl der anderen exilierten Dichter hatte Bruno Frank auch nach der schmerzhaften Trennung von seinem Publikum noch ansehnlichen Erfolg, im Exil entstanden seine drei wichtigsten Romane: „Cervantes“ (1934), „Der Reisepaß“ (1937) und „Die Tochter“ (1943), gespielt wurden noch von ebenfalls vertriebenen Schauspielern Stücke von ihm unter namhaften Regisseuren, aber auch Bühnen in Holland, England und den USA hatten ihn auf dem Spielpan, Filmverträge brachten Geld, so daß es ihm leichter fiel als manch anderem, in Not geratene Kollegen auch materiell zu unterstützen. Zusammen mit seiner Frau, die die Tochter der einstmals berühmten Fritzi Massary war, leistete er so nicht selten Überlebenshilfe.

Geriet sein Werk nach dem Krieg für längere Zeit in Vergessenheit, so ist heute, da ein großer Teil auch in der DDR wieder vorliegt (neben den schon genannten Romanen noch „Trenck. Roman eines Günstlings“ und die Erzählbände „Der Himmel der Enttäuschten“ und „Tage des Königs und andere Erzählungen“ - alle im Buchverlag Der Morgen) deutlich: es hat kaum an Frische eingebüßt, manches ist aufregend gegenwärig. Der 100. Geburtstag Bruno Franks (er ist am 13. Juni 1887 in Stuttgart geboren) muß so nicht erst Anlaß zur Wiederentdeckung werden: Frank hat sich seine neuen Leser längst erobert. Sein eigenes Talent hat er übrigens verschiedentlich als begrenzzt bezeichnet, womit er, vergleicht man ihn etwa mit seinem engen Freund Thomas Mann, natürlich recht hatte. Den Genuß an seinem Werk schmälert das nicht, eher im Gegenteil.
 Geschrieben am 2. Juni 1987 für FREIES WORT Suhl, bisher unveröffentlicht


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