Arthur Eloesser und H. v. Hofmannsthal

Ob Arthur Eloesser seinen angekündigten Vortrag „Hugo von Hofmannsthal und die neue Romantik“ am 12. März 1936 tatsächlich gehalten hat, wissen wir nicht. Nach derzeitigem Stand der Kenntnisse wäre es seine vorletzte Äußerung zu Hofmannsthal gewesen, zu dem er sich seit 1900 immer wieder einmal zu Wort gemeldet hatte, wenn auch seltener als zu anderen Dichtern. In den Monatsblättern des Jüdischen Kulturbundes jedenfalls, Ausgabe Februar 1936, ist Eloesser als Referent Nummer 4 für März genannt, weitere Vortragende sollten sein: Leo Baeck, Max Osborn (über Raffael) und Julius Bab (zu Friedrich Hebbels „Genoveva“). Der Kulturbund suchte, im Rahmen seiner begrenzten und eingegrenzten Möglichkeiten, seinem Stamm-Publikum Angebote zu machen. Referenten waren fast ausnahmslos ausgewiesene Experten, die auf zahlreiche eigene Veröffentlichungen verweisen konnten und bis 1933 auch einen guten Ruf über das rein jüdische Publikum hinaus genossen. Hofmannsthal gehörte wegen seiner teils jüdischen Vorfahren zum dem Kulturbund erlaubten Stoffkreis. Deshalb durfte das Theater Hofmannsthal auf die Bühne bringen.

Das Kulturbundtheater spielte noch 1937 „Das Postamt“ des Inders Rabindranath Tagore, einen Zweiakter, und die „Die Hochzeit der Sobeïde“ von Hofmannsthal. Arthur Eloesser besprach die Doppel-Aufführung für die Jüdische Rundschau im Heft 10 von 1937. Zum Stellenwert des frühen Werkes, es entstand bereits 1897, lässt sich andeutend auf Georg Hensel verweisen, der in seinem zweibändigen „Spielplan“ auf etlichen Seiten über Hofmannsthal diesen Titel nicht einmal nennt. Rudolf Goldschmit, Autor des Hofmannsthal-Bändchens in der Reihe „Friedrichs Dramatiker des Welttheaters“ hat zehn Druckzeilen übrig, die kaum mehr verraten, als dass der Stoff einer alten orientalischen Erzählung entnommen wurde, ein Verfahren, das Hofmannsthal nicht nur in diesem einen Fall nutzte. Die Uraufführung gab es immerhin zeitgleich am Deutschen Theater in Berlin und am Wiener Burgtheater, das war 1899 am 18. März. Beteiligt waren große Darsteller (Josef Kainz und Else Heims in Berlin, mit Kainz war Eloesser persönlich befreundet; Adolf Sonnenthal und Lotte Medelsky in Wien). Der Kritiker hat diese Uraufführung sehr wahrscheinlich nicht erlebt.

Die Regie in Berlin führte Emil Lessing, in Wien Sonnenthal, der als reicher Kaufmann auch selbst auftrat, es ist von Achtungserfolgen die Rede, was 1937 natürlich vergangen und vergessen war. Zum Inhalt mit Eloessers Worten: „Die Heldin macht sich selbst die Tür auf, die nach drüben führt und in die Freiheit der Loslösung. Sobeïde hat als aufopferndes Kind einen reichen Kaufmann geheiratet, dem ihr Vater verschuldet war. In der Hochzeitsnacht gesteht sie ihre Liebe zu Ganem, dem Sohn des Teppichhändlers, der zu arm war, um sie zu heiraten, und der viel ältere Mann, der ein Liebhaber der Sterne und der Blumen, also ein Weiser ist, macht ihr selbst die Tür auf zu dem Schicksalsweg, der dann viel weiter führt.“ Der Teppichhändler selbst „ist ein reicher Geizhals und Wucherer, verschwenderisch nur als alter Wollüstling. In seinem Hause regiert die durchaus dirnenhafte Kapitänswitwe Gülistane über ihn und seinen Sohn Ganem, der nicht anders werden wird wie sein Vater und der vor Sobeïde in jahrelangem Betrug nur den Sohn eines Armen gespielt hat.“ Das war, darf man wohl sagen, 1937 noch weit zeitferner als vierzig Jahre früher auch schon.

„Vater und Sohn kämpfen um die Dirne, das geht bis zu prügeln und peitschen und bis zu Mordgedanken gegen den Alten. Also tiefste Demütigung Sobeïdes durch den verräterischen Liebhaber und durch eine Rivalin. Also Flucht in den Tod und im letzten Augenblick in die Arme des milden Mannes, der alles versteht und alles verzeiht.“ Zu verstehen ist dergleichen allein aus der Zeitgeschichte, Eloesser macht das sehr deutlich: „Das Stück erschien vor vierzig Jahren, und sein Dichter war damals fünfundzwanzig Jahre alt. Man muss sich erinnern, mit welcher Begeisterung der junge Hofmannsthal empfangen wurde; er war der Prince charmant der Literatur der Jahrhundertwende … Der junge Dichter gilt als der Frühlingsheld des Ver sacrum, in dem sich die Dichtung und die Menschheit von dem Sündenfall des Naturalismus und der Wirklichkeitsnähe Hauptmannscher Art reinigen sollte.“ Hofmannsthal, so sieht es der Kritiker, stand an der Spitze einer Gegenbewegung, wenngleich keineswegs freiwillig und noch weniger in absichtsvoller Pose. Der Begriff „Ver sacrum“ entstammt der Antike und hat mit der Eroberung neuen Landes zu tun.

„Wahrscheinlich hat sich nur der kluge Hofmannsthal gegen diese Prätendentenrolle gesträubt; er wusste, woran es ihm fehlte, einzig an der schöpferischen Naivität. In melancholischen Augenblicken kritisierte er wohl selbst seine „Möbelkunst“, soweit er es darin gebracht haben mag, und wenn wir im Bilde bleiben wollen, so hat es wohl noch keine Kissensammlung von erleseneren Stoffen und Stickereien gegeben. … seine Poesie kam aus vielen kostbaren Begabungen, aber nicht gerade aus der Fülle eines warmen Herzens.“ Schon früh hat Eloesser das dramatische Schaffen Hofmannsthals kritisch gesehen, 1937 bestätigt er es: „Die Kunststickerei der Hofmannthalschen Verse hat mich schon damals nicht verführt, und (ich) fürchte, dass es dem Publikum von heute wenigstens stellenweise ebenso gegangen ist. Es scheint mir auch kein Zufall, dass Hofmannsthal später, wenn er sich nicht auf dramatische Bearbeitungen beschränkte, besonders Operntexte geschrieben hat. Auch seine frühen Dramen sind schon Opern, haben wenigstens mit ihnen gemeinsam, dass man trotz scharf gespitzter Handlung die allzu künstlichen Sätze kaum versteht.“

Als er Ende Oktober 1900 in der Berliner Sezessionsbühne „Der Tor und der Tod“ sah, an diesem Theaterabend gekoppelt mit „Hockenjos oder Die Lügenkomödie“ von Jakob Wassermann (das war noch die frühe, längere Fassung des späteren Einakters), hielt sich seine Begeisterung bereits in engen Grenzen. Doris Schaaf, Autorin von „Der Theaterkritiker Arthur Eloesser“ (1962), eines in vielerlei Hinsicht anfechtbaren, dennoch für immer ersten Buches über den Kritiker, zog die Besprechung aus der Vossischen Zeitung vom 24. Oktober 1900 gleich mehrfach für ihr Urteil heran. „Die mangelnde dramatische Darstellungskraft der neuromantischen Dichter wird bei dem Kritiker ausschlaggebend für die Ablehnung dieses Dramentypus. Es kam Eloesser nicht nur darauf an, wie etwas gesagt wurde, sondern in erster Linie auch, was gesagt wurde. So erkennt er Hofmannsthal, den größten unter den Neuromantikern, als Dichter an, lehnt den Dramatiker aber entschieden ab.“ Schaaf zitiert Eloesser selbst: „Die Bühne hat viel für Hofmannsthal getan, aber er nichts für die Bühne. Seine tiefe und zarte Dichtung verliert nicht an Wert, weil sie kein Drama ist.“

Ein weiteres Zitat aus der frühen Kritik: „Hofmannsthals Verse sind sehr schön, wenn man sie still und langsam im Buche liest, aber sie sind mit üppigen Bildern, mit edlem Zierrat so beladen, dass sie nicht durch den Raum schweben können. Es scheint, als ob ihre Flügelkraft versagt, so dass sie an der Rampe niederfallen.“ Fast zehn Jahre später, im März 1910, hieß es dann zu „Die Frau im Fenster“: „Die Leute bei ihm sagen Gedichte auf, statt unwillkürlich zu leben, und wenn sie auf natürliche Weise agieren wollen, unterbrechen sie die Deklamation, die sich allein schon genügt.“ So nimmt es keineswegs Wunder, wenn Eloesser in seiner zweibändigen Literaturgeschichte seine frühen Urteile kaum variiert wiederholt: „… es zeigte sich, dass die weichen Verse dieser lyrischen Schwelgereien schon vor der Rampe niederfielen, dass sie nicht genug Körperlichkeit hatten, um sich im Raume auszudehnen. Wenn Hofmannsthal selbst von Möbelpoesie spricht, diese romantisch singende, vom Naturalismus gelöste Dramatik, die seiner Generation vorschwebte, war bei ihm eine Art Kissensammlung, gewiss keine billige und keine unedle mit ihrem Stoffrausch“.

Eine Ausnahme erkennt Eloesser rückblickend an: „Was ihm vorschwebte … holte er nur einmal aus der singenden Deklamation, aus der dekorativen Vision auf die Bühne herunter mit dem „Abenteurer und der Sängerin“ … Da ist die venezianische Barkarolenpoesie Mussets erreicht worden, wenn auch ohne seine französische Theaterbehendigkeit.“ Vor allem aber brillierte ein Schauspieler: „Wahrscheinlich hat er Josef Kainz nie gehört, der diesen Wortrausch zu seinem höchsten Zauber antrieb, und dem Hofmannsthal in einer Nänie eins der schönsten Denkmäler deutscher Sprache gesetzt hat.“ Eloesser meint die „Verse zum Gedächtnis des Schauspielers Josef Kainz“, geschrieben am 2. Oktober 1910. Kainz war am 20. September in Wien gestorben, Eloesser wurde einer der Nachlass-Verwalter und Herausgeber der Briefe des jungen Kainz an seine Eltern. Noch 1925 kam Eloesser in der „Weltbühne“ auf das Gedicht: „Vor kurzem habe ich seine Nänie, eine der schönsten der Weltliteratur, auf Josef Kainz gelesen, dessen Todestag jetzt zum fünfzehnten Male wiedergekehrt ist. Aber der ist nicht barock gewesen.“ Natürlich auch auf dessen Verfasser.

„Was soll ich noch zu Hofmannsthal sagen? Dass er dem Regisseur Reinhardt einen Text geliefert hat. Und dass sein Großes Welttheater sich mit der Welttragödie, die wir leider nicht zu Ende spielen können, in gar keine Beziehung bringen lässt. Hofmannsthal ist auch barock, ist es schon zu früh gewesen, aber mit welchem Glanz!“ Das ging um die Salzburger Aufführung der Calderon-Adaption, von Max Reinhardt am 12. August 1922 erstmals in der Kollegienkirche inszeniert. Eloesser bezog sich drei Jahre später auf die Aufführung in der umgebauten alten Reitbahn. Für das große Sammelwerk „Juden im deutschen Kulturbereich“ schrieb er: „Aber Hofmannsthals unvergleichliche Bedeutung für das deutsche Schrifttum und die ganze deutsche Kultur ist keineswegs mit den Attributen einer genialen Dekadenz und eines großartigen Wirkens als Sammler und Bearbeiter vergangener Lebensinhalte und Stilformen erschöpft, obschon er sich später einmal zur antiken Tragödie, einmal zu Calderon und dadurch immer wieder zur großen Dichtung der Weltliteratur hingezogen fühlte“. Und er wagte auch einen vorsichtigen Blick in die Zukunft.

„Es ist zu hoffen, dass die Gestalt dieses Humanisten, dessen Heimat die edle Geisteswelt des Abendlandes war, von der Welt einmal in ihrem tieferen und weiteren Sinn aufgenommen werden wird.“ Für Eloesser schlug „schon der jüngere Hofmannsthal Saiten an, die eigenen tieferen Klang haben und jenseits aller modernen Sensitivität und Kompliziertheit die schlichte Größe und Beständigkeit eines wahrhaft antiken überzeitlichen Lebensgefühls erwecken und neue Würde und Haltung versprechen.“ Das hebt die Kritik an seinem Bühnenschaffen nicht auf. „Der Lyriker wie auch der Essayist Hofmannsthal, der auch seine Prosa singen ließ, war immer am besten, wenn er aus der Kunst wieder Kunst, Kunstwerke noch einmal in seiner Melodie flüssig machte. Seine eigentlichen Gedichte sind bei allem Sprachreiz doch nicht unmittelbar gewesen, weniger Produkte des ersten Gefühls als des Geistes, der gefühlsam wurde.“ Und: „Aber in Wahrheit hatte er nach seiner verführerisch welkenden Jugend keine neue Jahreszeit des Lebens; er war früh fertig, überfertig, und so erklärt sich sein Alexandrinertum, mit dem er sich als Bearbeiter von großem Geschmack und Stilgefühl früheren Dichtungen anschmiegte.“

Die Installierung der Salzburger Festspiele mit „Jedermann“, der bis heute jährlich gespielt wird, dem „Salzburger Großen Welttheater“, war Eloesser „eine Art künstlerischer Gegenreformation“: „Hofmannsthal fand da gutgläubig sein Altösterreich wieder. Was ihn überzeugte und begeisterte, war das Dekorative, der fest gewordene Schein, wie er selbst immer dekorativ gedichtet oder nachgedichtet hatte. Sein letztes Unternehmen war „Der Turm“, dramatische Legende von einem Kaspar Hauser, der aber auf den Thron gelangt und sich der Menschheit zum Opfer bringt. Es war eine sehr künstliche Bemühung, mit der er sich von Hebbelschen Spekulationen, noch mehr von Calderons hierarchischem Ordnungssinn anziehen ließ; es war das Versagen seines Epigonentums, das allein aus ästhetischer Einfühlung keinen Mythos hervorbringen, kein Symbol in einem bildhaften Fürsichsein, in einem absichtslosen Ruhezustand halten konnte.“ Epigonentum und Eklektizismus sind belastete Termini, die traditionell beschädigend auf die wirken, die mit ihnen charakterisiert werden. Womöglich lässt sich an Hofmannsthal ein Gegenexempel statuieren.

„Hofmannsthal war der geistige Sohn zweier Aristokratien, der altösterreichischen und einer noch viel älteren, wenn der Mann, der sich in einer Franziskanerkutte begraben ließ, sich diese Erbschaft auch nicht immer bewusst gemacht haben mag. Sein so glanzvoll begonnenes Dasein wurde zur Tragödie, nicht nur des Menschen, des Künstlers, sondern einer Zeit und einer Kultur.“ Als der Dichter am 15. Juli 1929 plötzlich gestorben war, fand Arthur Eloesser (nach jetziger Kenntnis) keine Gelegenheit zu einem Nachruf. Er war im Sommer auf Reisen, für seine Vossische Zeitung platzierte Monty Jacobs die Todesnachricht als Aufmacher auf Seite 1, ebenso verfuhr das Berliner Tageblatt, das sogar Gerhart Hauptmann dafür gewinnen konnte. Eloesser nutzte Nachlass-Bände Hofmannsthals, um sich noch einmal ausführlicher und zusammenhängend zu ihm zu äußern. 1930 zuerst und dann noch einmal 1931. Seine erste derartige Darstellung aber geht zurück auf das Jahr 1907, sie trug den Titel „Hugo von Hofmannsthals prosaische Schriften“, gedruckt am 22. Juni. Damals ging es um den ersten von vier angekündigten Bänden mit den frühen, ältesten Aufsätzen.

Vor allem die Reden „Der Dichter und diese Zeit“ (1906) und später „Shakespeares Könige und große Herren“ (1905) beschäftigen den Kritiker. „Hofmannsthal möchte weder als Philosoph, noch Kritiker, noch Historiker, noch Ästhetiker scheinen, sondern er tritt als ein eleganter, liebenswürdiger, geselliger Unterhalter ein … Seinen mündlichen Vortrag habe ich nicht gehört; ich denke mir, dass ihm die sanften Worte auf der Zunge schmolzen wie Marzipan“. Eloesser erkennt den Meister, wenn auch mit Vorbehalt: „Wer solche Konditorei des Wortes überhaupt vertragen kann, muss Hofmannsthal in seiner Art einen Meister nennen. Man wird selten so komfortabel und elegant bedient werden wie von diesem höchststilisierten Wiener Poeten, der knochenlose deutsche Sätze zu schreiben weiß“. Hofmannsthals Fragen kann er folgen: „Sind es die Dichter, die uns heute die stärksten poetischen Stimmungen geben, oder sind es wohl vielleicht die Luftschiffer, die Nordpolfahrer, die Bergdurchbohrer und Brückenbauer?“ Und auch dem, was in „Der Brief“ (1902) zu lesen ist, in den „Gesammelten Werken“ später unter „Erfundene Gespräche und Briefe“.

„Was Hofmannsthal seinen fingierten Dichter Lord Chandos in einem Brief an den gelehrten Freund Bacon schreiben lässt, das trifft uns alle einmal, nur dass wir den Bann wie aus einem gefährlichen Traume auffahrend mit einer Anstrengung immer wieder abzuschütteln vermögen.“ Von „Shakespeares Könige und große Männer“ vermutet Eloesser: „Den nur Textkritikern und Parallelenjägern wird diese süß sahnige Abhandlung keine wahrhafte Kost geboten haben“. Denen rechnet sich der Kritiker natürlich nicht zu. „Wir können auch an Shakespeare im täglichen Umgang nur erleben, was wir sind oder sein möchten.“ Die Rede Hofmannsthals vor der Shakespeare-Gesellschaft sieht er dennoch sehr speziell: „Er ist ein eleganter lyrischer Tenor, und seine Kunstfertigkeit soll auch bewundert werden unter der Bedingung, dass sie keine Nachfolger hervorbringt, und dass sie keinen Anfang, sondern ein Ende bedeutet.“ 1930 widmet sich Eloesser dem von Max Mell (1882 – 1971) zusammengestellten Band „Loris. Die Prosa des jungen Hugo von Hofmannsthal“ (S. Fischer), die Besprechung erscheint wenige Tage vor dem ersten Todestag.

Mell und Hofmannsthal standen von 1907 bis 1929 in enger Beziehung, die Briefe beider beginnen fast immer mit „Lieber Freund!“. Die Dokumentation des Lambert Schneider Verlages Heidelberg füllt alles in allem 370 Druckseiten, zehn Beiträge von Mell über Hofmannsthal sind eingebunden. „Der Schriftsteller Hofmannsthal hatte eine frühe Fertigkeit; das war sein Glück und sein Unglück. Im Grunde gibt es überhaupt nur einen jungen Hofmannsthal, so ernst sein Spiel, so streng sein Leben wurde, in hoher Selbstverpflichtung zu einer unabhängigen, gegen alles Zufällige und Gelegentliche verwahrten Führung. Loris war in gewisser Hinsicht sogar als Kind schon fertig. Mit acht Jahren, heißt es hier einmal, fand er den größten Reiz an dem Duft halb vergessener Tage und tat manches mit dem dumpfen Instinkt, zukünftige hübsche Erinnerungen auszusäen.“ So Eloesser 1930. „Am Ende dieses Bandes steht das Bekenntnis zu Stephan George, von dessen Jüngern keiner glücklich geworden ist; oder sie hatten Glück, wenn sie früh starben. Der Grund muß einmal erörtert, kann nach meiner Meinung ans Licht gehoben werden.“ Eloesser unternahm es nicht mehr.

„Nach diesem Königtum hat er dann gestrebt, er soll sogar darin eingezogen sein, wie die von ihm bezauberten Freunde meinen, als er sich in ablehnender Einsamkeit immer enthaltsamer und stolzer einrichtete. Ein König wurde Hofmannsthal nicht, oder nur im Exil. Aber Loris ist gewiß ein Prinz gewesen.“ Fast auf den Tag ein Jahr später meldete sich Eloesser abermals zu Hofmannsthal zu Wort. Jetzt galt seine Aufmerksamkeit dem Nachlassband „Die Berührung der Sphären“, gedruckt im S. Fischer Verlag Berlin. Nun heißt es: „Eine Entwicklung ist da kaum zu spüren, der junge Hugo von Hofmannsthal war schon allzu fertig, er hat die ihm möglichen Erkenntnisse frühreif und edelreif vorweggenommen. So ist es auch mit seinem Stil. Hofmannsthal schrieb von Anfang an eine elastische, melodische, singende Prosa, von der man höchstens feststellen kann, dass ihre Schwingungen ausgreifender, raumfassender geworden sind. Aber der Anschlag blieb derselbe in seiner Zartheit, und die Instrumentation hat sich kaum noch bereichern können. Hofmannsthal war kein Dialektiker, es ist hier nicht der Gedanke, der operiert, sondern eine Empfindung“.

„Wenn Hofmannsthal sich mit einer literarischen Erscheinung beschäftigt, so ergibt das keine Kritik, kein Zerteilen, kein Herausnehmen von dem, was er billigt oder was ihm gemäß ist. Daran verhindert ihn schon seine Höflichkeit, die, wie alles bei ihm, wenn nicht etwas Fürstliches, so doch etwas Prinzliches hat. Befasst er sich mit einem lebenden Autor, so erweist er ihm eine Ehre, und er lässt den Mann so ganz und so unbeschädigt wie möglich. Am liebsten aber geht er zurück zu den großen, die ihn mitgebildet haben und denen er seine Verpflichtung ausdrückt, zu den Goethe, Schiller und Grillparzer, den Balzac und Flaubert. Seine Belesenheit war groß und vielseitig, da schreibt ein Bürger vieler Länder, ein Zeitgenosse mancher Jahrhunderte.“ Zwei Arbeiten der späten Jahre, wenn man die überhaupt so nennen kann, hebt Eloesser besonders heraus: „Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation“ (1926) und „Wert und Ehre deutscher Sprache“ (1927), zusammen keine 25 Druckseiten. Er schließt für sich: „Mit der Apologie von der Sendung des Schriftstellers, der nationalen und der humanen, hat er sich selbst das schönste Requiem geschrieben.“


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