Jesus, Maria

Für Jesus endete die irdische Laufbahn am Kreuz, er sagte noch: Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Und hatte so das Leiden der Welt auf sich genommen. Auch Maria nimmt das Leiden der Welt auf sich. Nur ist sie nicht ans Kreuz genagelt, sondern an Teleprompter und Aufnahmekamera. Ihr Vorteil: sie überlebt diese Fixierung. Ihr Nachteil: schon am Montag ist weitgehend vergessen, wie sehr sie am Sonntag für uns alle litt. Und Anbetung, nun ja, wird ihr auch eher weniger zuteil.

Wenn Maria Gresz, 44, ankündigt, was der SPIEGEL TV – Zuschauer gleich sehen wird, dann ist es oft wie in der Geisterbahn im allerersten dunklen Stück: Vorgruseln. Bilder von Angst und Schrecken, in monotoner SPIEGEL-Modulation vorgetragene Kommentare, die die Übel dieser Welt in ihrer ganzen unergründlichen Tiefe nacherlebbar machen. Was kann in Fukushima noch alles passieren? Mindestens das, was in Tschernobyl in den 25 Jahren seither passiert ist.

Das aber heißt: SPIEGEL-Reporter, an Unerschrockenheit, investigativer Neugier und natürlich auch optischer Findigkeit kaum zu übertreffen, führen uns das Desaster im Detail vor. Da ist zum Beispiel ein Mann, der wahrscheinlich nur ganze drei Jahre noch in den verlassenen Häusern der Sperrzone Metall findet, das er stehlen kann. Nicht, weil er dann sterben muss. Weil das Metall dann alle ist. Ob mit dem Dezernat Eigentumsdelikte der ukrainischen Regionalpolizei vereinbart ist, ihn frei laufen zu lassen, solange Kameras in der Nähe sind?
Im Kontrollzentrum des Unglücksreaktors sitzen Männer in einer hübschen Schutzkleidung, die an die der Mitarbeiterinnen von Wurst- oder Pralinenfabriken erinnert. Plötzlich blinken Alarmlichter.Und während man noch um alle bangt, die man eben gesehen hat, man kennt den Stehsatz aus den Hauptnachrichten: Unter den Toten waren auch vier Deutsche, gibt es Verbal-Entwarnung. Kleiner Scherz der sich langweilenden Kollegen im Nebenraum. So sind sie also, die Scherze in Super-Gau-Reaktoren.

Zwei lustige Strahlungsmesser teilen den neugierigen SPIEGEL-Leuten mit, dass die eben ermittelten Messdaten um das Zehnfache über dem Normalen liegen. Die tapferen SPIEGEL-Leute lassen nicht etwa vor Schreck Kamera und Mikrofon fallen, sondern fragen hart nach, was das bedeutet. Und die lustigen Strahlungsmesser sagen: länger als eine Stunde sollten wir uns an dieser Stelle nicht aufhalten.

Aber es gibt ja noch den 82-jährigen, der mit seiner Frau all die 25 Jahre im Sperrgebiet geblieben ist. Ausnahmslos alle, die umgesiedelt wurden, sagte er, sind längst tot. Und dass seine Frau 139 Gläser Pilze eingeweckt hat. Die Kamera schwenkt auf seltene Wildpferde, die durch die Sperrzone galoppieren, eine ganze schmucke Herde. Kein einziges hat fünf Beine oder drei Ohren.

Ist das alles nun eine ganz besonderes wilde Art von Ironie eines Fernseh-Magazins oder ging hier, unfassbar, ein Schuss nach hinten los? Herr, vergib ihnen nicht, denn sie wussten genau, was sie taten. Tschuljung, Herr, aber das musste raus.


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