Grass, dieser Günter, wenn er dichtet

Während noch allerorten in den rauschenden Blätterwäldern gehobenen Anspruchs vom Kulturinfarkt gelispelt wird, haben das öffentlich-rechtliche Fernsehen und der Rest der sendenden Welt ihn schon einmal geprobt. Ein Gedicht als Aufmacher der Hauptnachrichtensendung! Ein Gedicht von Günter, dem grassen Nobel-Günter aus dem hohen Norden des von ihm gehassten, weil nicht nach seinen Plänen gestalteten Gesamtdeutschland. Es scheint die Annahme nahe zu liegen, dass einer, der nachweislich bereits Gedichte schrieb, der 1999 den schwedischen Millionenpreis erhielt, weil die DDR 1989 auf von Grass nicht vorgesehene Weise das Zeitliche segnete, weshalb die Preisverleihung an Christa Wolf oder Heiner Müller oder, gottverdammich, an Günter Kunert, dem zwar keine „Blechtrommel“, aber „Im Namen der Hüte“ eingefallen ist, entfiel, dass so einer also ein gewisses Maß an Kenntnis dessen haben muss, was ein Gedicht sei.

Günter, der auf die 85 zusaust, der schon „Mein Jahrhundert“ schrieb, weshalb ihm jetzt nur noch „Mein Jahrtausend“ und „Mein Universum“ für die nächsten 85 Jahre zu schreiben übrig bleiben, düpiert alle jene kleinen Lichter auf Gottes weitem deutschsprachigen Erdboden, die ahnungslos und unberufen noch ahnungsloseren und noch unberufeneren Drittmenschen erklärten, ein Gedicht sei nicht schon eines, weil einer die Zeilen nicht bis hinten voll schreibt. Beim grassen Günter ist es so und es ist gut so, dass er die Zeilen nicht bis hinten voll schrieb, sonst wäre noch mehr Provoziermüll in der Welt. Mag ja sein, dass er dies und jenes meinte, mag ja sein, dass er jetzt tatsächlich kein neues Buch mit einem Skandälchen promoten will wie sonst, wenn er eine Zwiebel in die Hand nimmt oder an Brücken herumlungert, die sein Weltkulturerbe stören oder in Indien rumgrinst, wenn sich eine Kamera auf ihn und seine Pfeife richten.

Muss es nicht all den dreizehn Millionen Lyrikern der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz und Österreichs, die ihre frischen Verse nur noch in Bezahlverlagen unterbringen können, weil die anderen, die großen, die dicken und die auf den Plätzen 1 bis 30, die von den Buchhandelsmonopolisten nur gelistet werden, Gedichte von sich weisen, muss es all diesen Lümmeln und Lümmelinen nicht schräg in die Milz fahren, wenn der grasse SPD-Promoter, der austritt um einzutreten oder eintritt um auszutreten oder überhaupt zu treten, wenn also dieser Bursche, dem die Welt zu eng und der Bodensee mit seinem Bruder Martin zu nervig ist (und zu nah gelegen, quasi am unteren geographischen Rand der Grass-Hemisphäre) ausgerechnet mit einem Gedicht die Milchstraße erschüttert?

Hätte doch Ilsebill nur nicht nachgesalzt.


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