Die armen, armen Märkte

Hut ab, Märkte. Ihr könnt innerhalb von zehn Tagen so viele Milliarden vernichten, dass man mit ihnen ganz Afrika kurzfristig fett füttern könnte. Seid wann tretet Ihr eigentlich im Plural auf, Märkte? Und wie kommt es, dass all diese professoralen Schwafelbirnen, diese ehemaligen Bank-Chefs, die Chef-Volkswirte und was da sonst noch so kreucht an Kaffeesatzlesern mit sechs- und siebenstelligem Jahreseinkommen, an Körpersprach-Experten, Euch kennen, ich aber nicht? Man hat Euch mir nicht vorgestellt. Obwohl Ihr auch mein Geld vernichtet. Nach den Beschreibungen, die mir alle, aber auch wirklich alle Medien von Euch geben, müsst Ihr so etwas sein wie einst Stephane Chapuisat bei Borussia Dortmund. Mimosen also, die bei der geringsten Berührung ihre Blättlein einziehen, die gefällt darniederstürzen, wenn ein feindliches Trikot ihren Ärmel touchiert. Oder? Ihr seid verunsichert, höre ich, die Nachrichten aus der Politik reichen Euch nicht, um Eure Verunsicherung abzulegen, Ihr erwartet klare Signale. Sind das Eure Mäntel oder Eure letzten Hemden, diese Verunsicherungen, die Ihr nicht ablegen könnt? Man sabbelt von Eurer Psychologie und die meisten Sabbler sehen nicht wirklich betroffen dabei aus. Sie haben wahrscheinlich ihre Schafherden längst ins Trockne getrieben.

Man sollte, falls es Euch tatsächlich mehrfach gibt, jeden Abend bei Börsenschluss-Gong einen von Euch Märkten vom höchsten Dach der Wallstreet werfen. Bedingung: Unten schauen mindestens hunderttausend Tea-Party-Anhänger zu und nehmen auf ihren Handys Bild und Ton des Aufklatschens für die Hauptnachrichten ihres regionalen Vollidioten-Senders auf. Wollt Ihr tatsächlich meinen alten Staatsbürgerkunde-Lehrern den definitiven Beweis liefern, dass sie recht hatten mit all ihrer Imperialismus-Sülze, mit all dem Grusel des Finanzkapitals? Ich habe gelesen und gesehen, was da für unfassbare Menschen, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken, nur um diesen zappligen dünnen Präsidenten von der Bildfläche zu schieben, Weltwirtschaftskrisen heraufbeschwören. Der Blitz fahre zwischen sie, als Tee-Trinker möchte man auf Lebertran umsteigen angesichts solcher Abart.

Und Ihr, Märkte, reagiert verunsichert. Ist das der Memmen-Stadel, in dem Ihr musiziert, Märkte? Kein Mensch außer Euch gerät in Panik, wenn Grünschpahn oder Börnänki vor laufenden Kameras erst ins Taschentuch schniefen, ehe sie husten. Ratsch, ist der Jahresetat eines niedlichen südeuropäischen Staates vernichtet. Irgendwelche komischen Brillenheinis und Rotnasen glotzen auf ihre Börsen-Bildschirme, als sähen sie dort den Leibhaftigen an beiden Schwänzen gleichzeitig rubbeln und mir haut das derweil im Nebeneffekt meine Altersvorsorge durchs Rohr. Euch rupft es wohl, Märkte?! Ihr seid wohl nicht nur vom Wickeltisch gefallen, sondern anschließend auch noch zu heiß gebadet worden? Das ergibt eine gefährliche Mischung.

Seltsamerweise schicken mir jene Banken, die angeblich irgendwie, so meine Staatsbürgerkundelehrer vor vierzig und mehr Jahren, diese Märkte darstellen oder sind, Woche für Woche Kreditangebote, mir, meiner Frau, meinem Sohn, der gar nicht mehr bei uns lebt, den Banken ist dies gleichgültig. Sie sind pure Beglückungsinstitute. Wir könnten bis zum Hals in Euros stehen, wenn wir alles mitgenommen hätten, und dann hätten wir nur sagen müssen, wir brauchen einen Rettungsschirm. Oder wollen diese Märkte gar nur mich aussaugen und nicht diese von diesen seltsamen Politikern nicht regierten Staatsgebilde? Was sagt Ihr, Märkte? Habt Ihr Euch mit diesen Katastrophenberichtern und -beschreibern gegen ein geringes Entgelt verbündet, bis die letzte Oma in Panik ihr Geld aus den Fonds gezogen hat und zum Strumpf unterm Kopfkissen zurückkehrt? Für die Zeit danach und die schönen Reportagen von weinenden Großmüttern im Spätsommerloch? Es hilft nichts, dass der so genannte Sozialismus das nicht besser konnte. Für Eure Benotung bringt das, Märkte, keinen einzigen Punkt.


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