Agentur-Blüte
Jetzt war ich mal wieder in der Arbeits-Agentur. Kaum war ich drin, schon war ich dran. Kaum war ich fertig, war ich schon wieder gefragt. Die erste Dame war freundlich, die zweite Dame war noch freundlicher. Meine Daten, ratzfatz, alles erledigt, alle Formulare, ratzfatz, alles erledigt. Während wir noch lachten, als ich Anekdoten aus meiner Schulungswoche vor einigen Jahren zum besten gab, schritt ein weiterer Kunde zum Empfang.
Ich musste noch eine Treppe nach oben. Und ehe ich die erste Schlagzeile an der Wandzeitung gelesen hatte, ging eine Tür auf, schon die dritte freundliche Dame und wieder alles ratzfatz. Mit einem Mäppchen voller Papier, besten Wünschen für den Urlaub versehen, eilte ich die Stufen hinab und stand in der Schwanitzstraße. Donnerwetter dachte ich, wäre ich jetzt noch Leiter der Lokalredaktion Freies Wort in Ilmenau, würde mich jetzt noch ein Chefredakteur, dessen Name mir entfallen ist, oder war es sein Stellvertreter, zusammen donnern, weil ich wieder die allmonatliche Arbeitslosenstatistik so lieblos behandelt hatte wie Bundeskanzler Gerhard Schröder seine eigenen Versprechungen zum Thema, jetzt würde ich aufblühen wie eine Amaryllis auf meinem Arbeitszimmerfensterbrett in der Maisonne.
Seinerzeit stand ich da, ein Bittsteller unter Bittstellern, langsam rückte die Schlange nach vorn, ohne hinten kürzer zu werden, ich hatte mich eigens verkleidet, um nicht in den Verdacht zu geraten bei den anderen Schlangenmenschen, ich könnte ihnen im Zweifelsfall drei Bier ausgeben oder ein Duschgel. Ich bekam einen Termin, an dem ich mir einen Termin holen durfte. Und später wurde ich geschult. Die glückliche Firma aus einer unglücklichen ehemaligen Bezirksstadt, die den Zuschlag bekommen hatte, Akademiker zu schulen, schulte mich auch. Drei Tage erfuhr ich, wie man sich bewirbt. Einen Tag erfuhr ich, dass meine Kenntnisse in Tabellenkalkulation mäßig seien, einen Tag erfuhr ich, dass ich sehr gut Englisch verstehe, aber schlecht spreche. Diese Erkenntnisse überraschten mich nicht, eher schon, dass neben mir auch ein ehemaliger Personalchef einer mittelgroßen Firma mit eigener Amerikaerfahrung trainierte, wie man sich bewirbt.
Und nun, nun brauchte ich zirka 46 Millisekunden, bis mir auffiel, was mir aufgefallen war. Die Flure waren leer, in denen ich nach meiner Zimmernummer suchte, ich war weit und breit der einzige auf dieser Etage. Schon unten im Empfang: mehr hinterm als vor dem Tresen. Wo sind sie denn, unsere verehrten Arbeitslosen? Also man kann ja die Zahlen immer wieder reintun in die Zeitung, die politischen Partei haben das Thema weitgehend aus ihren Agenden genommen, man punktet nicht mehr mit solchen Sachen. Aber Erfolg, was denn, was denn, ja Erfolg, den müssten die Fotografen nun mit leeren Fluren illustrieren. Das sieht freilich nicht annähernd so schön aus wie volle Flure, in denen die Stühle nicht reichen. Und die Blicke der Betroffenen fotogen ins Leere gerichtet.